Die Bildung zu Hause suchen
Veröffentlicht von Hilde Link · 15 Jan 2023
Die indische Regierung bemüht sich derzeit die Defizite, die die Kinder wegen der Corona bedingten Schulschließungen in Kauf nehmen mussten, auszugleichen. Dazu wurde ein Programm entwickelt, das ilam tedi kalvi heißt. Das ist Tamil und bedeutet zu Hause/suchen/Bildung, also die Bildung soll zu Hause gesucht werden.
Praktisch heißt das, dass in den Dörfern, oder in unserem Fall: im Slum, nach dem regulären Unterricht in einer staatlichen Schule von einer Studentin ein Förderunterricht in einem öffentlichen Gebäude oder im Schatten eines großen Baumes durchführt wird. Dieser Förderunterricht findet voraussichtlich bis zum Ende des Schuljahres im April statt und ist zeitgleich mit unseren früheren Schulzeiten. So lange ruht die Prana-Förderschule.
Bis hierher klingt alles gut. Das ist es aber nicht. Denn wegen der massiven Spendeneinbrüche wegen Corona und wegen des Ukraine-Krieges sahen wir uns gezwungen, unsere bisherige Förderschule zu schließen mit der Konsequenz, dass wir alle Lehreinnen und Lehrer entlassen mussten.
Zwei kleine Lichtblicke gibt es dennoch: Der eine ist, dass eines unserer ehemaligen Prana-Kinder, inzwischen ist sie eine selbstbewusste junge Frau, auf die wir sehr stolz sind, eine Prana-Förderschul-Dependance in ihrem Heimatort in der Nähe von Mahabalipuram eröffnet hat.
Der andere Lichtblick ist, dass wir immerhin zum neuen Schuljahr im Juni eine erste Klasse aufnehmen können. Die neue Lehrerin ist eine Montessori-Lehrerin mit elf Jahren Berufserfahrung. Sie wird unsere Zwerge aus dem Slum und aus dem Fischerdorf mit Liebe und Kompetenz betreuen. Auch eine kleine nahrhafte Schulspeisung mit frischem Obst ist geplant, denn die Kinder erwartet in der Regel kein Essen, wenn sie nach Hause kommen.
Die übrigen Projekte können wir weiterführen, also das Therapiezentrum für Kinder mit Behinderungen, das Schneiderinnen-Selbsthilfe-Projekt, die „Glückskinder“, und das Unterprojekt in Zusammenarbeit mit einem indischen Verein „women empowerment and enablement“, in dem Frauen umweltfreundliche Putz- und Waschmittel mit ihrem traditionellen Wissen herstellen. Auch bieten wir Alphabetisierungskurse für Frauen an, so dass sie im Alltag eine gewisse Selbständigkeit erlangen können.
Die Ausbildungs- und Studienförderungen unserer ehemaligen Prana-Kinder sind gesichert, so dass niemand auf der Strecke bleiben muss.
Das Foto oben ist im Slum vor der Schule aufgenommen. Da kommen die Kinder her, die wir unterstützen.
